Hier habe ich ein kleines Video für Euch mit einer super Übung für den Bauch, die Rektusdiastase, den Beckenboden, die Stabilität und die Normalisierung der Atmung. All in one sozusagen.
Die Videos (es sind zwei, die ich zu einem zusammengeschnitten und die ich dann noch mit Text versehen habe) wurden mir von meiner Kollegin Karin Piechottka aus Marburg zur Verfügung gestellt, die eine Teilnehmerin aus meinem Onlinekurs "Rückbildung mit Rektusdiastase in der Praxis behandelt. Ihre Kontaktdaten findet Ihr am Ende des Artikels.
Eine kleine und feine Übung, die ganz toll ist.
Man kann sie mit oder ohne Hände machen. Für den Anfang ist "mit Hände" natürlich super.
Am besten zuerst das Video anschauen. Dann ist die Erklärung besser verständlich.
Mit Unterstützung der Hände an der Rippen, kann man bei der Ausatmung die Rippen aufeinander zu schieben, das heißt den Brustkorb "eng machen", und damit die Bauchmuskeln aktivieren bzw. ihnen die richtige Richtung weisen.
Das ganze geschieht ohne Pressdruck und natürlich nicht mit Gewalt.
Nicht die Luft rauspressen, wir wollen ja keinen unnötigen Druck aufbauen. Das wäre auch gar nicht gut für den Beckenboden.
Einfach dem natürlichen Fluß der Ausatmung folgen und nur ein bißchen nachhelfen.
Beide Beine anstellen, das Becken nach hinten kippen, Richtung Boden.
Die Lendenwirbelsäule sollte auf dem Boden sein. Die LWS hat eine natürliche Krümmung nach vorne, es ist also nicht ungewöhnlich, wenn der Rücken nicht ganz flach aufliegt wie ein Brett. Das ist ganz normal so. Aber zum besseren Verständnis sage ich nur, dass die Lendenwirbelsäule und das Becken in Richtung Boden gehen, um die Bauchmuskeln zu aktivieren. Das sollte man ganz bewußt machen, um zu verhindern, dass die Rückenmuskeln die Arbeit machen anstatt der Bauchmuskeln.
Während der Ausatmung zusätzlich den Unterbauch "kurz machen". Das heißt so viel wie, aktiv die Lendenwirbelsäule am Boden halten oder sie in diese Richtung bewegen.
Die Ausatmung richtig schön lang machen. Dabei "tönen" ist immer gut und aktiviert den Beckenboden viel besser als ohne Ton. Das kann man auf fffffff oder schschsch oder sssssss machen.
Beim Ausatmen den Beckenboden etwas einziehen. Das braucht keine maximale Anspannung zu sein. Die üben wir ganz gesondert hier.
30 % der Kraft reicht, sonst wird der Beckenboden auf Dauer überbelastet. dauerhaftes maximales Anspannen entspricht nicht der normalen Funktion des Beckenbodens.
Die Übung beinhaltet also zwei Komponenten.
Während der Ausatmung Rippen "eng machen" und Unterbauch "kurz machen". Mit oder ohne Hände.
Oft stehen die Rippenränder nach einer Geburt noch etwas ab. Das passiert einfach dadurch, weil das Baby diesen Platz einfordert in der Schwangerschaft und damit auch den Brustkorb auseinander drückt. Und da die Bauchmuskeln generell ein bißchen Ladehemmung nach der Geburt haben und nicht so einfach zu aktivieren sind, schleicht sich so eine Rippenstellung ganz oft und ganz nebenbei ein, ohne dass man das merkt.
Die Bauchmuskeln haben ihre Ansätze an den Rippen. Damit werden sie auch an diesen Stellen, also an und unter den Rippenbögen, nach vorne und auch zur Seite hin gedehnt, während der Schwangerschaft. Nach der Geburt geht das oft nicht von alleine wieder zurück und der Brustkorb bleibt in dieser Einatemstellung.
Einatemstellung bedeutet ganz einfach, dass sich bei jeder Einatmung der Brustkorb nach oben außen bewegt. Das passiert immer bei allen Menschen. Nur sollte er da nicht stecken bleiben. Bei der natürlichen Ausatmung bewegen sich die Rippen im Normalfall wieder nach unten und zusammen (aufeinander zu).
Da die Bauchmuskeln auch Atemhilfsmuskeln sind und in ihrer Job Beschreibung "forcierte Ausatmung" steht, können wir mit dieser Übung sehr gut die ganze Vorderseite aktivieren d.h. sie durch die Ausatmung in ihrer Funktion unterstützen, und so auch dieser Einatemstellung entgegenwirken.
Natürlich muß so ein Brustkorb auch Einatmung können. Das heißt jetzt nicht, dass man nie mehr Einatemstellung haben soll :) Es geht darum, dass die Rippen in jeder Bewegung frei sein sollten und sich in ihrer normalen Beweglichkeit weit und eng machen können/müssen/sollen.
Manchmal sieht eine blockierte Atmung bzw. blockierte Rippenbewegungen auch noch ganz anders aus. Was ich auch schon oft beobachtet habe bei Patientinnen, ist eine Einatmung, bei der sich nicht die Rippen auseinander bewegen, sondern bei der sich automatisch der ganze Brustkorb am Stück hebt aus der Lendenwirbelsäule heraus. Quasi geht man bei jeder Einatmung ins Hohlkreuz anstatt die Rippen weit zu machen. Bei der Ausatmung geht dann der ganze Brustkorb aus dem Rücken heraus, wieder nach unten. Das passiert, weil der Brustkorb in der Einatemstellung blockiert ist (oder vielleicht auch in einer Ausatemstellung, was aber nach einer Schwangerschaft eigentlich nicht passiert) und sich der Körper irgendeinen Ausweichmechanismus angewöhnt hat, um die mangelnde Rippenbeweglichkeit und mangelnde Bauchmuskelaktivität auszugleichen.
Was auch wieder zeigt, dass es nie nur um die Bauchmuskeln geht, sondern immer alles zusammen arbeitet.
Auch Ausweichmechanismen ziehen oft mit der Zeit ganze "Ausweichketten" nach sich und man wundert sich irgendwann, warum man dauernd Kopfschmerzen hat.
Mit unserer kleinen Übung kann man daran aber schon mal ganz gut arbeiten.
Aber trotzdem gut aufgepasst. Nicht die Luft nach unten rauspressen. Wir wollen nichts nach unten rauspressen. Wir atmen einfach nur auf einen Ton aus mit leichtem Schub an der Rippen.
Das erfordert ein bißchen Koordination. Aber mit ein bißchen Übung geht das ganz bestimmt.
Beherrscht man das in Rückenlage, kann man das Ganze dann natürlich auch im Sitzen und Stehen versuchen. Auch wieder mit oder ohne Hände.
Wieviele Wiederholungen soll man machen?
Ich sage immer, es ist nicht so sehr die Anzahl der Wiederholungen wichtig, sondern die korrekte Ausführung. Wenn man eine Übung korrekt ausführt, kann das schon nach 2-3 Mal richtig schweißtreibend werden, weil der Körper und das Gehirn ganz viel neue Koordiantions-Arbeit leisten müssen. Am Anfang sind oft schon 5 Wiederholungen genug und alles, was danach kommt, geht dann manchmal nur noch mit Ausweichbewegungen oder mit Pressen. Das wollen wir natürlich nicht trainieren. Also immer die Müdigkeit der Muskulatur und die tatsächlich korrekte Ausführung als Maßstab nehmen. So kann man auch gleichzeitig die gesamte Körperwahrnehmung schulen.
Wenn man am Ende irgendwann 2x15 schafft, ist das schon super und reicht dann auch in dieser Form. Inklusive Beckenbodenanspannung ist das ja noch mal gleich eine viel größere Herausforderung.
Bei zu viel atmen kann es einem auch schon mal schwindelig werden. Darauf bitte auch unbedingt achten. Bitte atmet Euch nicht ins Koma ;) immer nach 3-4 tiefen Atmungen wieder normal atmen und eine kleine Pause machen, sonst hyperventiliert ihr irgendwann aus Versehen.
Eine weitere Steigerung dieser Übung wäre zusätzlich, während der nächsten Einatmung nicht die Spannung zu lösen, sondern sie zu halten und 2-3 Atemzüge ganz normal versuchen weiter zu atmen. Das heißt man hält 2-3 Atemzüge, die so aufgebaute Spannung und läßt dann erst locker.
Und irgendwann kann man dann das Ganze auch ohne Hände üben. Das ist das Ziel. Die Hände sind ja nur für den Anfang richtungweisend. Irgendwann sollte man die Muskeln auch ohne Hände wieder aktivieren können.
Die Anspannung geht dann so: "Rippenbögen aufeinander zu bewegen, beide Beckenknochen versuchen aufeinander zu zu bewegen, Lendenwirbelsäule auf dem Boden lassen (oder im Stehen gerade bleiben, Haltung bewahren)". Das ganze aber ohne viel Bewegung. Das sind nur kleine Anspannungen, die ohne viel Druck oder viel Bewegung passieren. Fast isometrisch.
Wie bei allen und sämtlichen Übungen gilt auch hier bei dieser Übung, es dauert manchmal bis alles klappt und super läuft und es ist manchmal nicht ganze einfach mit der Koordination.
Das Gehirn muß erst wieder lernen mit dem Bauch zusammenzuarbeiten. Durch die Überdehnung, oder auch durch Verletzungen und OPs, passiert eine sogenannte "reflektorische Hemmung" der Muskulatur. Egal wo das ist im Körper. In unserem Fall ist das jetzt natürlich der Bauch und der Beckenboden.
Das ist ein Schutzmechanismus, der völlig automatisch passiert. Also habt Verständnis für die Physiologie Eures Körpers. Übertriebene Erwartungen und Erwartungen von "zeitnahen Ergebnissen" an den Postbaby Körper sollten wirklich heruntergeschraubt werden. Einfach weiter machen und dran bleiben.
Das Tape ist im Übrigen auch eine super Unterstützung. Ich möchte da aber nicht unerwähnt lassen, dass das keine maximale Spannung hat, sondern nur einen Faszienzug, der dem Gewebe helfen soll, die richtige Richtung zu finden. Es geht nicht darum, Muskeln aufeinander zu zu schieben bzw. die Lücke enger machen zu wollen. Solche Tapes macht man nämlich nicht. Die Tapes mit ganz viel Spannung und Zug schaden der Haut und es kann Brandblasen geben (alles schon gesehen).
Ein Tape ist kein Korsett.
Jetzt wünsche ich Euch viel Spaß dabei und natürlich viel Erfolg und ich hoffe, ich hab alles verständlich genug erklärt.
Wenn Du Fragen hast, kannst Du gern einen Kommentar hinterlassen.
Hier sind die Kontaktdaten von Karin Piechottka in der Praxis Irrera und Paul in Marburg:
http://physiotherapie-elnhausen.de
Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit 25 Jahren Physiotherapeutin und hab viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand.
Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann) in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig.
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Vroni (Sonntag, 27 März 2022 20:44)
Hallo Nicole,
vielen Dank für deine vielen Tipps und Anleitungen!
Kurze Frage: Ich kenne Bauchnabel zum Rücken und leicht nach oben ziehen, Unterbauch kurz machen und nun auch Beckenknochen aufeinander zu schieben. Ist das alles dasselbe, nur unterschiedliche Bilder, je nachdem was leichter fällt?
Und: Spricht etwas dagegen, einfach immer tatsächlich das Becken mitzukippen? Ich find das leichter, zusätzlich irgendeine Bewegung zu machen als nur mit diesen Bildern zu arbeiten und in mich hineinzuhorchen, ob da jetzt was war oder nicht ...
LG Vroni
Nicole Frank (Sonntag, 27 März 2022 20:57)
Liebe Vroni, hach es gibt so viele Anweisungen. Kommt drauf an, was man erreichen will. Die tiefe Bauchmuskulatur hat ja mehrere Anteile. Bauchnabel nach hinten sagt man eigentlich nicht mehr. Kommt auch immer drauf an, was sich einem präsentiert, also wie die Patientin was macht. Ich sag als erstes immer Unterbauch vom Hosenbund weg einziehen.
Wenn man die LWS oder das Becken dazu nimmt geht das, vor allem in Rückenlage, meistens am Anfang leichter, weil meistens eh alle im Hohlkreuz sind. Ist einfach eine andere Übung dann. Man muss ja am Ende eh alles irgendwie können :) und es ist immer gut verschiedene Übungen und Anspannungsweisen zu machen.
Vielleicht hilft das?
Liebe Grüße
Nicole
Vroni (Sonntag, 27 März 2022 22:24)
Hallo Nicole,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich glaube, ich verstehe.
Aber irgendwie ist das alles schon ein bisschen kompliziert. Die vor-schwangerschaftlichen Crunches waren einfacher. ;-)
Das Bauchnabel-Bild lass ich dann weg. Warum sagt man das nicht mehr? Spannt man da was an, was man nicht anspannen soll?
LG Vroni
Nicole Frank (Montag, 28 März 2022 12:42)
Das dem Bauchnabel Ding ist halt zu eindimensional :) da ist die Gefahr größer, dass man permanent nur unter den Rippen anspannt und die Luft anhält. Wie gesagt, das Spektrum der Bauchmuskulatur ist ja sehr vielschichtiger als nur "Bauchnabel". Trag Dich doch mal für die Workouts und die Übungen ein, falls Du die noch nicht hast. Da erkläre ich mehrere Möglichkeiten der Anspannung. Vielleicht wird es dann weniger kompliziert. Ganz unten hier auf der Seite siehst Du die Bilder dafür.
Liebe Grüße, Nicole