
Drei Schichten Beckenboden anspannen, Fahrstuhlfahren, Achter-Muskel, Kegelübungen?
Ich könnte noch weiter aufzählen: Gänseblümchen pflücken, Spaghetti schlürfen, die Lotusblume auf und zu machen, Kirschkerne einsaugen ... und was dein Beckenboden und deine Vagina sonst noch alles können soll.
Du erfährst in dieser Folge:
- Was das mit diesen Übungen so auf sich hat und warum sie keinen Sinn machen.
- Wie der Beckenboden und die Blase wirklich funktionieren.
- Was funktionell tatsächlich Sinn macht.
- Warum der Beckenboden nicht isoliert trainiert werden sollte und auch gar nicht trainiert werden kann.
- Und wir sprechen über das Tanzberger Konzept und die ganzheitliche Betrachtungsweise in der Prävention und im Training.
Du kannst diese Folge wie immer direkt auf meiner Webseite hier hören oder du hörst hier:



In der heutigen Podcastfolge sprechen Sabine Meissner und ich mit Petra Bachmann, einer langjährigen Dozentin des Tanzberger Beckenboden Konzepts über die größten Mythen und Fehlinformationen im Beckenbodentraining, die sich leider immer noch sehr hartnäckig halten.
Das ist eine super spannende Folge, die du auf gar keinen Fall verpassen solltest.
Wir haben wirklich sehr wichtige Informationen für dich, egal, ob du Therapeutin bist oder dich selbst um dein Beckenboden sorgst und kümmern möchtest.
Wir hatten leider leichte Probleme mit dem Ton und bitten deshalb schon im Vorfeld vielmals um Verzeihung. Aber der Inhalt zählt, das ist das Wichtigste!
Warum viele der klassischen Beckenbodenübungen keinen Sinn manchen
Viele denken beim Beckenbodentraining automatisch an Anspannungsübungen.
Doch funktionelles Beckenbodentraining verfolgt eine ganzheitliche Strategie, die tiefer geht als das bloße „Spannen und Entspannen“.
Viele traditionelle Beckenbodenprogramme konzentrieren sich auf das Anspannen und Entspannen der Muskeln, oft bekannt als Kegel-Übungen oder Methoden wie „Fahrstuhl fahren mit dem Beckenboden“.
Oder die Frauen sollen einen ominösen Achetrmuskel anspannen und einzelne Beckenbodenschichten spüren können.
Das Problem:
- Diese Übungen sind oft nicht funktionell und isolieren den Beckenboden und das Denken über den Beckenboden vom restlichen Bewegungsapparat.
- Sie ignorieren die natürlichen Bewegungsabläufe und Reflexe des Körpers.
- Sie folgen keinerlei Physiologie.
- Sie können sogar kontraproduktiv sein, indem sie zu einer Überlastung oder Verspannung des Beckenbodens führen.
1. Das Problem mit der klassischen 3-Schichten-Einteilung des Beckenbodens
Ein weit verbreiteter Irrglaube im Beckenbodentraining ist die Vorstellung, dass der Beckenboden in drei klar getrennte Schichten unterteilt ist, die unabhängig voneinander angespannt werden können.
Diese Vorstellung basiert auf einer rein strukturellen Betrachtungsweise aus der Anatomie, die jedoch in der funktionellen Realität so nicht existiert.
Natürlich gibt es drei Schichten, Faszien und verschiedene Muskeln, die man alle anatomisch in der Präparation findet. Keine Frage. Man betittelt auch unterschiedliche Diaphragmen. Diaphragma Urogenitale, Diapgragma Pelvis.
Dennoch, was man im Präparat, also an einer Leichte, strukturell unterscheiden kann, bleibt immer, im wahrsten Sinne, "totes Gewebe" ohne Funktionalität.
ABER:
- Tatsächlich arbeitet der Beckenboden immer als ganzheitliches System – mit engen Verbindungen zu Zwerchfell, Bauchmuskulatur und Faszienstrukturen.
- Die Vorstellung, dass man die Sitzbeinhöcker, das Schambein oder den Anus isoliert „zusammenziehen“ kann, ist nicht physiologisch korrekt. Bewegungen im Beckenboden entstehen immer im Zusammenspiel mit anderen Muskeln und können nicht willkürlich in Schichten isoliert werden.
2. Warum von den klassischen "Kegel Übungen" abzuraten ist
Vielleicht kennst du es:
Gänseblümchen pflücken, Kirschkerne einsaugen, Spaghetti schlürfen.
Schnell blinzeln, langsam blinzeln.
Was man so alles können muss mit seiner Vagina.
Man nennt dieses Anspannen-Locker-Lassen auch "Kegel" Übungen.
Kegelübungen werden oft als Allheilmittel für Beckenbodenprobleme angepriesen – doch das ist ein großer Irrtum. Das isolierte Anspannen und Entspannen des Beckenbodens ist nicht nur ineffektiv, sondern kann in vielen Fällen sogar kontraproduktiv sein.
Die größten Probleme mit Kegel-Übungen:
- Funktioniert nicht im Alltag: Der Beckenboden arbeitet nicht isoliert, sondern immer in einem komplexen Zusammenspiel mit Atmung, Haltung und Bewegung. Kegeltraining berücksichtigt keine funktionellen Bewegungsmuster, sondern trainiert nur stumpfes An- und Entspannen – was im echten Leben nie so passiert.
- Führt oft zu Überlastung & Verspannungen (Hypertonus): Viele Frauen führen Kegelübungen mit zu viel Kraft und zu häufig durch. Das kann zu einem überaktiven Beckenboden (Hypertonus) führen, was Probleme wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Harndrang oder sogar Verstopfung verstärken kann.
- Ignoriert die natürliche Beckenbodenaktivierung: Der Beckenboden wird automatisch in Alltagsbewegungen integriert (z. B. durch richtige Atmung, aufrechte Haltung und natürliche Muskelketten). Kegelübungen übergehen diesen natürlichen Reflexmechanismus und fördern ein unnatürliches Anspannungsverhalten.
- Keine individuelle Anpassung: Kegelübungen gehen nach dem Prinzip „eine Übung für alle“. Dabei sind Beckenbodenprobleme vielschichtig – manche brauchen Entspannung, andere Aktivierung, manche ein gezieltes Haltungstraining.
- Und vor allem, die unwillkürliche und schnelle Reaktion der Muskulatur, die man damit ja auch trainieren will, ist in der Realität so viel schneller. Das passiert in Millisekunden. So schnell kann man willkürlich gar nicht anspannen. Also auch nicht üben.
- Und zu guter Letzt: Dieses "Krafttraining" für den Beckenboden wird oft nach der Geburt viel zu früh durchgeführt. Im gedehnten, verletzten Gewebe, muss erst einmal eins passieren: Heilung. Die Muskulatur kann dieses "Krafttraining" nicht umsetzen in diesem Zustand. Es gibt eine physiologische reflektorische Hemmung bei Verletzungen, Überdehnungen und Schwellungen. Das ist vor allem im ersten halben Jahr nach der Geburt sehr wichtig. Sanfte Aktivierung mit der Atmung zum Beispiel und Wahrnehmung sind wichtig. Aber alles andere braucht es nicht.
Kegeltraining kann mehr Schaden anrichten als nutzen.
Stattdessen: Funktionelles Training statt isolierter Anspannung
- Keine isolierten Anspannungsübungen, sondern funktionelle Bewegungsmuster
- Wahrnehmungsschulung statt stupides Spannen und Entspannen
- Integration des Beckenbodens in natürliche Alltagsbewegungen
- Vermeidung von Überlastung und Verspannungen
- Reaktion, Koordination, Propriozeption, Gleichgewicht, Muskelketten, Faszienketten müssen wir trainieren, damit der Beckenboden immer im ganzheitlichen System integriert ist und so auch lernt, schnell zu aktivieren..
Kurz gesagt:
Wer langfristig und nachhaltig seinen Beckenboden stärken will, sollte auf ganzheitliche Therapieansätze setzen – nicht auf Kegelübungen.
3. Warum das „Fahrstuhltraining“ nicht funktioniert
Eine weitere weit verbreitete, aber wenig effektive Übung ist das sogenannte „Fahrstuhlfahren“ des Beckenbodens. Dabei soll der Beckenboden in verschiedenen Stufen „hochgezogen“ werden – erst leicht, dann stärker – und dann wieder sanft „herabgesenkt“ werden.
Das Problem:
Der Beckenboden reagiert nicht in festen Stufen, sondern dynamisch und fließend auf Belastungen.
Er arbeitet reflektorisch in Bewegungsabläufen und nicht durch bewusstes „Stück für Stück“-Anspannen.
Keinen Muskel trainieren wir sonst mit abgehacktem Anspannen und Stoppen.
Wir spannen einen Bizeps oder Quadrizeps doch auch nicht in Stufen an, sondern trainieren in ganzen, fließenden Bewegungen und in Bewegungsmustern.
In der Praxis führt diese Methode oft dazu, dass Frauen sich unnötig verkrampfen, viel zu viel anspannen und eine Überaktivität (Hypertonus) im Beckenboden entwickeln, anstatt eine natürliche Aktivierung zu fördern.
Es fördert außerdem enorm die Frustration unter den Frauen, wenn sie es nicht schaffen, ihren Beckenboden einzeln, in Schichten, oder im Fahrstuhlmodus anzuspannen.
Aber keine Sorge. Das muss niemand können, weil das so erstens nicht funktioniert und weil es zweitens auch überhaupt keinen Sinn macht.
4. Der Mythos vom „Achtermuskel“
Einer der hartnäckigsten Mythen im Beckenbodentraining ist die Annahme, dass es einen speziellen „Achtermuskel“ gibt, der gezielt angespannt werden kann. Diese Vorstellung wird oft in veralteten Trainingsanleitungen verwendet – ist aber anatomisch falsch.
Warum der Achtermuskel nicht existiert:
- Anatomisch nicht nachweisbar: Der Beckenboden besteht aus mehreren Muskelgruppen, die als funktionelle Einheit zusammenarbeiten – aber einen „Achtermuskel“ gibt es nicht. Diese falsche Vorstellung kommt wahrscheinlich daher, dass der äußere Schließmuskel des Anus mit einer isolierten Muskelstruktur verwechselt wird und den Anschein einer 8 macht.
- Kein einzelner Muskel übernimmt die Kontrolle über die Beckenbodenfunktion: Beckenbodenmuskulatur funktioniert immer im Verbund, nicht isoliert. Die Sphinkteren (Schließmuskeln) sind Teil eines komplexen Zusammenspiels mit dem gesamten Kontinenzsystem – sie arbeiten nicht alleine!
- Isoliertes Training ist unsinnig: Die Idee, gezielt den „Achtermuskel“ anzuspannen, führt oft zu Verspannungen und Fehlbelastungen. Sie gibt ein falsches Bild und führt zum falschen Verständnis des Beckenbodens. Wer zu oft den Anus bewusst zusammenzieht, kann auf die lange Sicht sogar Probleme mit der Stuhlentleerung oder unnötige Muskelverhärtungen bekommen. Siehe Kegelübungen.
Alternative: Funktionelles, ganzheitliches Training.
- Statt „Achtermuskel anspannen“ sollte die gesamte Beckenbodenmuskulatur harmonisch integriert werden.
- Bewusstes Atmen, natürliche Bewegungsketten und Wahrnehmungstraining sind deutlich effektiver als das gezielte Zusammenziehen eines nicht existierenden Muskels.
- Moderne Beckenbodentherapie setzt auf dynamische Aktivierung statt isolierter Muskelanspannung.
Fazit: Der „Achtermuskel“ ist ein anatomisches Märchen.
Wer seinen Beckenboden gesund trainieren möchte, sollte sich auf funktionelle Methoden wie zum Beispiel das Tanzberger Konzept konzentrieren – und nicht auf falsche Muskelmythen vertrauen.
Was ist das Tanzberger Konzept?
Das Tanzberger Konzept ist eine physiotherapeutische Methode zur Behandlung und Prävention von Beckenbodenproblemen. Entwickelt von Renate Tanzberger, basiert es auf funktioneller Anatomie und der natürlichen Bewegungsphysiologie des Körpers.
Dieses Konzept unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen "Beckenbodenübungen".
Statt isolierter Muskelanspannung setzt es auf eine systemische Herangehensweise, die den gesamten Körper und alltägliche Bewegungsmuster einbezieht. Ziel ist es, den Beckenboden wieder in seine natürliche Funktion einzubinden – ohne isolierte Anspannung oder ineffektive Routinen.
Die zentralen Prinzipien des Tanzberger Konzepts:
- Funktionelle Anatomie statt Schichten-Denken. Der Beckenboden ist keine isolierte Muskelgruppe, sondern Teil eines komplexen Systems aus Faszien, Muskeln und Nerven. Das Konzept berücksichtigt diese Zusammenhänge und setzt auf eine natürliche Zusammenarbeit mit Zwerchfell, Bauch- und Rückenmuskulatur.
- Mentales Training zur Körperwahrnehmung. Statt stumpfem Anspannen wird über gezielte Vorstellungsbilder gearbeitet, um die Muskelaktivität bewusst zu steuern und zu verbessern.
- Intrinsisches Training. Der Körper besitzt natürliche Mechanismen zur Beckenbodenaktivierung – etwa durch das richtige Trink-, Speicher- und Entleerungsverhalten. Diese Prozesse werden im Tanzberger Konzept gezielt unterstützt.
- Systemisches Training statt isolierter Übungen. Bewegungsketten werden aktiviert, indem Beckenbodenübungen in funktionelle Bewegungsabläufe integriert werden – zum Beispiel in Alltagsbewegungen oder beim Sport.
- Therapeuten als Wegbegleiter. Anstatt nur Übungen vorzuschreiben, hilft der Therapeut den Patienten, ihr eigenes Körpergefühl zu entwickeln und selbstständig auf die Beckenbodenfunktionen Einfluss zu nehmen.
Wer profitiert vom Tanzberger Konzept?
Das Konzept eignet sich für eine Vielzahl von Patient:innen:
- Frauen nach der Geburt (Rückbildung & Kaiserschnitt-Nachsorge)
- Menschen mit Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden
- Männer mit urologischen Problemen
- Personen mit Haltungsproblemen oder Rückenschmerzen
- Sportler:innen, die ihre Rumpfstabilität verbessern möchten
Fazit: Eine moderne Herangehensweise für den Beckenboden
Das Tanzberger Konzept bietet einen ganzheitlichen, funktionellen Ansatz für Beckenbodentherapie und -training. Statt isolierter Übungen wird das gesamte System berücksichtigt – mit nachhaltigem Erfolg.
Wenn du als Therapeut:in oder Patient:in mehr über diese Methode erfahren möchtest, lohnt es sich, sich gezielt fortzubilden oder eine spezialisierte Physiotherapeutin aufzusuchen.
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