Mein Interview mit Christine Eigenbrod von Motherhood e.V. über Gewalt in der Geburtshilfe.
Nini kam nach ihrer ersten Geburt damals zu mir in die Praxis, wegen ihrer Rektusdiastase und hat mir, während wir gearbeitet haben, ihre Geschichte erzählt.
Sie hatte selbst eine traumatische Geburt und hat tatsächlich, was ich absolut unglaublich finde, als sie als Zeichen ihres Traumas, eine Rose vor den Kreissaal dieses Krankenhauses gelegt hat beim Roses Revolution Day, dort danach Hausverbot bekommen.
Nini kennt sich mit dem Thema super gut aus, ist sehr engagiert bei Motherhood e.V. und weiß ganz viele Dinge, von denen ich auch noch nie etwas gehört habe.
Viele Frauen wissen davon leider auch nichts und leiden still vor sich hin.
Sie erklärt Euch ganz genau, wo und wie Ihr Hilfe bekommen könnt.
Tatsächlich ist das Land nämlich verpflichtet nach der "Istanbul Konvention" darauf zu reagieren und darauf einzugehen. Das Land muss reagieren und ist verantwortlich, dem nachzugehen.
Nini hat viele traumatische Geburtsberichte von Frauen gesammelt und sie beim Gesundheitsministerium abgegeben.
Ihr könnt mir gerne Eure Geschichte schreiben und ich leite sie weiter.
Ihr könnt sie auch direkt an Nini schicken. Ihre Webseite hab ich unten verlinkt.
Die Audio Folge kannst Du entweder hier hören:
Einige Zitate aus dem Interview:
“Sie hat mich einfach untersucht (den Muttermund aufgedehnt) und hat nix gesagt, ich hab geschrien und aua gesagt, und sie hat einfach weiter gemacht und immer weiter und immer weiter und ich hab immer mehr geschrien und dann ist die Fruchtblase geplatzt und dann hat sie sich noch aufgeregt, dass ihre Hose nass geworden ist.”
“Lag das an mir?” Ist das jetzt meine Schuld, dass es so lief?
"Und so wirst du dann im Endeffekt in die Mutterschaft entlassen…. und jetzt kuck, wie du klar kommst."
"Dann liegst du da auf der Wochenstation und denkst, aber eigentlich wollte ich doch mehr Kinder und dir ist nicht bewusst, dass es so nicht sein muss."
"Du bist auf einmal ein anderer Mensch".
Wie kann eine traumatische Geburt die Rückbildung beeinflussen?
Zu uns in die Praxen kommt ja nicht einfach nur Frauen, die in der Rückbildung sind. Sie kommen mit ihrer ganzen Lebensgeschichte und auch dem Erlebnis, das sie während der Geburt hatten.
Oft ergeben sich während der Behandlung viele tiefgreifende Gespräche, die manchmal ganz schön erschütternd sind. Und eigentlich nicht nur manchmal. Das ist sehr viel häufiger, als man denkt.
Circa 30 % der Frauen sind von Gewalt betroffen.
Das ist unglaublich viel.
Ein Drittel.
Jede dritte Frau. Vielleicht nicht du, vielleicht nicht deine beste Freundin, aber vielleicht deine Nachbarin.
Vielleicht aber tatsächlich auch deine beste Freundin, aber sie erzählt davon nichts, weil sie sich schämt, sich schuldig fühlt oder denkt, das ist normal so.
Zur Rückbildung gehört meiner Meinung nach immer auch die Geburtsgeschichte und die Verarbeitung der Geburt.
Auch, wenn die Geburt völlig in Ordnung war, ist es doch oft wichtig darüber zu erzählen, einfach aus dem Grund, weil es ein so einschneidendes und lebensveränderndes Erlebnis ist.
War die Geburt hingegen nicht schön oder sogar traumatisch, dann ist es um so wichtiger, darüber zu sprechen.
Die meisten Frauen, die eine belastete Geburt hatten, fühlen sich völlig alleine und trauen sich oft überhaupt nicht, das auch zu äußern.
Die schwierigen und so wichtigen Emotionen, die mit der Geburt zusammenhängen, werden oft runtergeschluckt.
Sie denken, sie sind halt überempfindlich, weil ihnen das genau so vermittelt wird.
Es gibt sehr viele verschiedene Varianten, wie sich das am Ende bei jeder Frau manifestieren kann.
Was ich in der Praxis am meisten erlebe, ist natürlich der körperliche Aspekt, denn das ist mein Job.
Oft entwickelt sich ein Kampf gegen den eigenen Körper und/oder Schmerzsyndrome jeglicher Art.
Die psychische Situation bekomme ich in der Praxis natürlich auch mit, aber hier kann ich natürlich nur unterstützend arbeiten und einfach zuhören und bestätigen, dass das so nicht normal war bzw. die Regel sein muss. Auch das hilft schon.
Manchen Frauen ist es nicht bewusst, dass sie tatsächlich ein traumatisches Erlebnis hatten, eben weil sie denken, das gehört so.
Die einen ziehen sich zurück, die anderen beginnen vielleicht einen Krieg gegen den eigenen Körper.
Da kann der eigene Körper wirklich zum Kriegsschauplatz werden und es soll alles, was körperlich an die Geburt erinnert, eliminiert werden.
Bauch, Brüste, Rektusdiastase.
Das habe ich einige Male erlebt, dass rigorose Sportprogramme und keine Minute Ruhe so manche Frau durch die Rückbildung treibt. Was nach ein paar Monaten Powerpensum dann zu ausgebrannt sein und völliger Frustration und Verzweiflung führen kann, weil der Körper nicht so will, wie man das selber möchte.
Es ist nicht immer leicht, die Kompensationsmechanismen bei sich selbst zu sehen.
Und es ist auch überhaupt nicht leicht zu sehen, dass einem Gewalt angetan wurde.
Andere Frauen ziehen sich komplett zurück oder können ihre Leben nicht wieder aufnehmen.
Was sich dann am Ende natürlich auch wieder auf die körperliche Verfassung und die Rückbildung auswirken kann.
Oder das Selbstbewusstsein ist so angeknackst, dass man sich nichts mehr zutraut.
Nini hat das im Interview zum Beispiel so ausgedrückt:
“Wenn meine Bedürfnisse während der Geburt so egal waren und man einfach mit mir machen kann, was man will…., irgendwie vergisst man sich dann schon so ein bißchen.”
“Man kriegt so das Gefühl während der Geburt, das, was ich will, zählt nicht”.
Und genau diese Gefühle schleppt man dann mit sich rum und alles, was den Körper angeht, nimmt man dann vielleicht auch nicht mehr so wichtig. Denn "man soll sich ja nicht so anstellen". Wurde einem ja immer wieder gesagt.
Leider ist dieses "man soll sich nicht so anstellen" generell sehr weit verbreitet. Egal, wie die Geburt war.
Das ist so traurig und ich finde das immer wieder ganz furchtbar, wie wenig ernst genommen Frauen werden, wenn sie Probleme nach der Geburt haben, egal ob körperliche oder seelische.
Hat man dann auch noch ein Trauma zu verarbeiten, dann ist es um so schlimmer.
Und mal ganz davon abgesehen, machen Ängste, Verzweiflung, Depression auch etwas mit dem Hormonspiegel und der Chemie im Körper.
Cortisol, unser Stresshormon, kann auch da auf Dauer einiges anstellen.
Also sprecht darüber.
Sucht euch Hilfe bei den unten angegebenen Stellen.
Teilt eure Geschichte und lasst euch nicht klein reden.
Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit 25 Jahren Physiotherapeutin und habe viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand.
Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann) in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig.
Bei mir bist Du richtig, wenn Du reale medizinische Informationen zum Thema Rückbildung und Frauengesundheit suchst. Mehr über mich findest Du hier.
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